Rassismus in queeren Communities
von Zuher Jazmati
Vor 4 Jahren, am 12. Juni 2016, erfuhr die Boricua Community von Orlando, Florida einen immensen Verlust. Ein radikaler-fanatischer Islamist ermordete im Nachtclub “Pulse” 49 Menschen. Für die queere Community war es ein massiver Schock, vor allem für diejenigen die nicht-weiß sind. Denn es waren vor allem Litnx und Schwarze Menschen, die sich dort versammelten und unter den Opfern fielen.
Auch hier machte die Attacke Schlagzeilen und schaut man sich den Diskurs und die mediale Berichterstattung näher an, erkennt man, dass es ein fehlendes Zusammendenken verschiedener Identitäten im weiß-deutschen Denken gibt. So wurde eine Binarität der “Homosexuellen” und der “Muslim*innen” reproduziert. Denn ohne einer Islamdebatte geht es schließlich nicht in Deutschland. Wie mein Freund Ozan Zakariya Keskinkilic so schön sagt: Die Islamdebatte gehört zu Deutschland.
Und so fand die Theorie vom homofeindlichen Islam und der Unvereinbarkeit dieser Relgion und Queerness großen Zuspruch. Es wurde der Eindruck erweckt, Queere Menschen können nicht auch muslimisch sein – was nicht nur gegenwärtig sondern auch historisch keinen Sinn macht. Was mit diesen verfestigten Denkweisen sichtbar wird, ist nicht nur der tiefsitzende antimuslimische Rassismus in der deutschen Gesellschaft, der auf eine jahrzehnte- – wenn nicht sogar jahrhundertelange – Geschichte zurückzuführen ist. Es entblößt sich damit auch eine lange problematische Tradition der Schwulen-Community (sic!), hinter der die einzige wirklich relevante Farbe, hinter der im Westen schwingenden Regenbogenflagge, die unsichtbare Farbe “weiß” steckt. Unsere Präsenz, unsere Körper, unsere Stimmen, unsere Geschichten brechen mit dieser Tradition! Nicht-weiße queere Menschen fühlten sich oftmals weder von den Zielen und Forderungen, noch von den Interessen weißer queerer Organisationen vertreten. Die Realitäten lediglich weißer queerer Menschen wurden als Norm verstanden. Das wirklich erfüllte Leben könne man erstführen, wenn du ein Coming-Out vollzogen hast. Dass dies für viele nicht-weiße queere Menschen, aus unterschiedlichsten Gründen, nicht so einfach und nicht gewollt ist, wird von der weißen Community als Selbstleugnung abgetan. Die Komplexität unserer Realitäten werden nicht gesehen und so scheint es, als sei der weiße Weg der einzig korrekte, um ein wirklich glückliches Leben führen zu können.
Doch nicht-weiße Menschen queere Menschen, die nicht nur in einer heteronormativen, sondern auch einer rassistischen Gesellschaft aufgewachsen sind, überlebt haben, sich durchzukämpfen wussten, können auch sehr gut ihr eigenes Glück navigieren. Wir brauchen die paternalistischen Ratschläge weißer queerer Menschen nicht! Was höchstens für unser Glück im Weg steht, sind die Gewalt von Rassismus, Kapitalismus, Heteronormativität und anderen Unterdrückungen, die marginalisierte Menschen ertragen. Wenn das Zusammendenken mehrer Identitäten nicht gelingt, wird ein rassistisches Sterotyp bedient, dass Muslim*innen als gefährliche heterosexuelle Männer zeichnet, die Frauen sexuell belästigen, antisemitisch seien und für weiße Queers eine Gefahr darstellen – so zeichnen es gerne führende Politiker wie Jens Spahn oder die AfD, die in die ähnliche antimuslimisch rassistische Kerbe schlagen, um politischen Profit daraus zu schlagen. So warnte Jens Spahn davor, dass sich Deutschland in eine “islamische Gesellschaft” verwandeln könne, in denen Menschen wie er getötet werden. Im fast ähnlichen Jargon wie PEGIDA, sagte er, dass die deutsche Gesellschaft Gefahr laufe, “antisemitischer, schwulenfeindlicher, machohafter und gewaltaffiner zu werden, als sie bisher ist”. Solche rechtspopulistischen Sprüche kommen aus der Mitte der CDU von einem Mitbewerber um den CDU-Vorsitzendenposten. Die AfD versuchte bei der Berliner Senatswahl mit antimuslimisch rassistischen Ressentiments Stimmen zu kriegen, als auf einem Bild zwei Männer dargestellt wurden und daneben der Satz “Mein Partner und ich legen keinen Wert auf die Bekanntschaft mit muslimischen Einwanderern, für die unsere Liebe eine Todsünde ist.” Diese rassistischen Vorurteile reproduzieren einseits, dass der Islam, in all seinen verschiedenen Facetten, queerfeindlich sei und andererseits wiederholt es die Binaritäten zwischen “Muslimen” und “Queerness”. Auch in vermeintlich weißen linken – besser gesagt “antideutschen” – Kreisen sind diese Annahmen verbreitet. Rassismus wird gerne von einem weggeschoben. Dabei ist er in den nächsten Kreisen aufzufinden.
Warum muss öfter über Rassismus in der queeren Community gesprochen werden? Untersuchungen fanden heraus, dass 51% queerer BIPoC Rassismus von der queeren Community erfahren haben. Weiße Queers haben die Verantwortung, Rassismus zu verstehen und sich dagegen einzusetzen! Mehrfach Diskriminierung ist für Betroffene nicht nur stressvoll, sondern wirkt sich auch auf die Psyche aus. Anti-LSBTIQ Gesetze sind auf den Kolonialismus weißer Menschen zurückzuführen. 70 Länder kriminalisieren derzeit queere Intitmität. 35 dieser Länder erbten diskriminierende Gesetze, die von Kolonialisten aufgedrängt wurden. Viele Länder Asiens, des Pazifik und Nordafrikas hatten ein viel weniger binäres Verständnis von Gender vor ihrer Kolonisierung. Trans- und non-binary Menschen wurden als teils heilige Figuren geehrt, bevor weiße Kolonialisten ihre Existenzen kriminalisierten und ihre Existenz verwischten.
Und heute? Weiße schwule Männer appropriaten Slangs von rassifizierten Menschen; schreiben “No Blacks, no asians” auf Dating Apps und vertreten eine homonationalisitische Politik.
Was nun passieren muss, ist uns zuzuhören, uns nach vorne zu bitten, einen Schritt zurückzugehen, damit wir einen Schritt nach vorne können, Gelder geben uvm.
White people, white gays – do better! DANKE!
Zusammen mit Dominik Djialeu podcastet Zuher Jazmati für das Leftstyle-Magazin Supernova. Der Podcast heißt "BBQ - der Black and Brown Queere Podcast" und soll BiPOC und queeren Perspektiven einen Raum geben: https://open.spotify.com/show/4Lsp7y9btg0OdhZw789i9U?si=q0NB3UrSQziiBXVIBUekzQ