Warum Frauen* Quatsch ist und es deshalb ein feministischer Kampftag ist
Es gab auch dieses Jahr (2021) rund um den 8. März viel Diskurs darüber, wie dieser Tag am treffendsten genannt werden sollte. Dabei ging es in dieser Debatte nicht nur um die bloße Bezeichnung, bzw. den “Titel” des Kampftages, sondern vor allem darum, was für Gedanken sich hinter den verwendeten Begriffen verstecken.
In diesem Text wollen wir explizit nochmal auf die Bezeichnung “Frauen*“ eingehen, da diese für uns mit viel Frust verbunden ist. Und erklären, wieso wir uns für die Benennung des 8. März als “feministischen Kampftag” aussprechen. In den kommenden Wochen werden wir zwei weitere Texte veröffentlichen die sich noch tiefer mit queeren Perspektiven und dem Umgang mit der Kritik von trans Aktivits*innen rund um den 8. März auseinandersetzen werden und ein Beitrag von uns zum aktuellen Diskurs sein sollen.
Die Formulierung “Frauen*” führt schon länger besonders in queerfeministischen Kreisen zu Unmut. Man wird fast schon müde, es zu kritisieren, hat es sich doch wie ein Lauffeuer verbreitet. Viele Menschen haben erkannt, dass nicht nur cis Frauen vom Patriarchat betroffen sind, daher wird seit ein paar Jahren ein Sternchen an “Frau” gehangen und gehofft, dass sich dann davon auch alle anderen Betroffenen angesprochen fühlen. Es ist eben auch einfacher, ein “*” (gesprochen “Sternchen”) an Worte wie “Frau” oder “Mann” zu hängen, es muss nicht um- oder nachgedacht werden und ist scheinbar inklusiv. Es wirkt jedoch ein bisschen wie vorauseilender Gehorsam für etwas, das so nie gewollt war.
So gab es nun auch einige Gruppen und Veranstaltungen, bei denen das Sternchen benutzt wurde und mancherorts wurde aus dem “Frauen-Kampftag“ der “Frauen*Kampftag“.
Aber für was steht das Sternchen eigentlich? Oder für was soll es stehen?
Dazu gibt es unterschiedliche Meinungen.
Für manche soll das Sternchen markieren, dass es sich bei der Geschlechtskategorie um ein soziales Konstrukt handelt. Andere soziale Konstrukte wie etwa “Staat” oder “Geld” werden allerdings auch nicht mit einem Sternchen markiert, daher ergibt dies unserer Meinung nach wenig Sinn. Und wenn tatsächlich Dekonstruktion von Geschlecht gemeint ist, dann würden wir davon gerne auch inhaltlich etwas mitbekommen. Wenn nur im Titel erwähnt wird, dass Geschlecht konstruiert ist, dies in den Redebeiträgen, Analysen und Aktionen aber nicht thematisiert wird, fällt es schwer, den Organisator*innen und Gruppen zu glauben, dass sie tatsächlich Geschlecht als Ganzes hinterfragen.
Eine andere Lesart ist, dass das Sternchen für trans Frauen steht. Das ist allerdings ein transmisogyner Trugschluss, weil es impliziert, dass trans Frauen keine “richtigen” oder keine “normalen” Frauen sind, also im Wort “Frau” nicht schon inbegriffen sind und daher mit einem “*” gesondert hervorgehoben werden müssen.
Wieder andere wollen mit dem Sternchen bspw. nicht-binäre, ageschlechtliche Menschen, inter* Personen und trans Männer mit einbeziehen. Das ist erstmal eine gute Idee, da viele INTA*-Personen aus den unterschiedlichsten Gründen dieselben Kämpfe führen wie (cis) Frauen: Sexismus, Mansplaining, sexuelle Belästigung, Abtreibungsgesetze, gender pay gap… Aber warum wird die Identität Frau dann so deutlich benannt und der Rest mit einem Sternchen zusammengefasst? Viele nicht-binäre Personen fühlen sich weder von “Frau”, von “Mann”, noch von “Frauen*” und erst recht nicht von einem “*” angesprochen. Wer soll sich also bei “Frau*” gemeint und gesehen fühlen? Warum sind die Bedürfnisse von cis Frauen hervorhebenswerter, als die von trans Frauen und weiteren INTA*–Personen?
Statt einem Sonderzeichen, welches auf unterschiedlichste Weise interpretiert werden kann, empfehlen wir, genauer zu sein und einfach aufzuzählen, wer gemeint ist oder sich angesprochen fühlen soll, bzw. zu sagen, wer eben nicht mitgemeint ist. An wen richtet sich der Text, der Vortrag, der Workshop, die Demo? Menschen, die eine Vulva haben? Nur cis Frauen oder nur trans Frauen? Weiblich gelesene Personen? Alle außer cis Männer?
In diesem letzten Fall, also “ohne cis Männer”, kann FLINTA* verwendet werden. (FUßNOTE 1)
Wir würden uns außerdem höllisch freuen, wenn sich endlich mal wer traut, auf einen Flyer zu drucken, was wir eigentlich sagen wollen, wenn wir höflich “FLINTA* only” schreiben, nämlich: “cis Männer müssen heute mal draußen bleiben, sorry not sorry!” Dann ist auch präzise benannt, wer gemeint und nicht gemeint ist, ohne, dass betroffene Menschen misgendert oder ausgegrenzt werden.
Welche Themen wen betreffen, ist doch sowieso so unterschiedlich. Nicht alle Frauen sind vom Thema Abtreibung betroffen oder vom Thema Kinder kriegen, müssen Care-Arbeit leisten oder haben eine Vulva – dafür gibt es einige Menschen, die keine Frauen sind und trotzdem mit diesen Themen täglich konfrontiert sind.
Am 8. März ging es historisch schon immer darum, geschlechtliche Ungleichbehandlung anzuprangern. Die Revolutionär*innen (ja, schon damals waren auch (gender)queere Menschen in der Bewegung) kämpften dafür, Menschen sein zu dürfen, mit allen Rechten, die dazu gehören. Es ging darum, Diskriminierung aufgrund des eigenen oder zugeschriebenen Geschlechts, entgegenzutreten, nicht etwa darum, endlich nur Frau sein zu können und Geschlechterbilder zu verfestigen. Es gibt nichts, das misogyner und transfeindlicher ist, als Frauen auf ihre Gebärfähigkeit und Anatomie zu reduzieren!
Menschen sind nicht entweder queer oder vom Patriarchat betroffen; es handelt sich um ein cis-hetero-Patriarchat, dem wir gegenüber stehen, welches letztlich auch mit white surpremacy und Kapitalismus, Antisemitimus, ableismus und sanismus eng verknüpft ist. Intersektionale Perspektiven werden sowieso viel zu selten im Rahmen des 8. März thematisiert und klare Analysen können nicht funktionieren, wenn alle in einem pauschalen Begriff zusammengefasst werden, der Nuancen unsichtbar macht.
Die Frage ist, welche Kämpfe gerade am feministischen Kampftag sichtbar gemacht werden sollen, wenn nicht die gegen ein (cis-hetero-) Patriarchat und seine verwandten Machtstrukturen?
Menschen werden anhand ihrer Körper(funktionen) unterdrückt. Wenn Menschen eine Vulva oder eine Gebärmutter und so weiter haben, ist ihnen das vielleicht nicht unbedingt anzusehen, aber sie besitzen Organe, die zu etwas weiblichem gemacht werden können. So werden Körper eingeordnet und passen in die unterdrückende Zweier-Logik des Patriarchats (nämlich “weiblich” ist weniger wert als “männlich”). Diese Menschen sind betroffen von sexistischen Gesetzgebungen, wie z.B. Kriminalisierung im Reproduktionsrecht (§218/219), von ungleicher Bezahlung aufgrund des (z.T. angenommenen) Geschlechts, von Sorgerechtsproblematiken, von sexualisierter Gewalt oder von viel zu engen Rollenbildern, in die wir alle gepresst werden. Diese Erfahrungen machen jedoch nicht nur (cis) Frauen, sondern auch – oder sogar ganz besonders doll – Menschen die inter*, nicht-binär, agender oder trans männlich sind.
Vom Patriarchat betroffene Menschen werden ja nicht unterdrückt, weil ihr Gender Frau ist, sondern, weil das Weibliche – die binäre Idee des “Frausein” an sich – vom Patriarchat abgewertet wird. D.h., betroffen vom Patriarchat sind Menschen, weil sie z.B. weiblich gelesen werden und somit Weiblichkeitsanforderungen gegenüber stehen. Es geht also darum, unfreiwillig “zur Frau gemacht” zu werden. Und dieses Schicksal teilen cis Frauen und INTA*–Personen. Cis Frauen werden aufgrund von Weiblichkeitsanforderungen und -idealen bewertet, abgewertet und unterdrückt. Aber auch trans*, nicht-binäre und inter* Personen werden vom Patriarchat “zur Frau gemacht”, wodurch sie nicht nur auch mit diesen unfairen Ansprüchen und Rollenbildern konfrontiert sind, sondern auch noch durch die Negierung ihres wirklichen Geschlechts unsichtbar gemacht werden.
Das Patriarchat stopft Menschen ungefragt in diese Kategorien, deshalb ist es für uns unerklärlich, wieso jetzt Feminist*innen mit der Bezeichnung “Frauen*“ Menschen wieder ungefragt in Kategorien schieben wollen und zu etwas machen, was sie nicht sind. Wir finden das unsolidarisch.
Ein letztes Argument, dass wir gerne besprechen möchten, ist, dass die Bezeichnung “feministischer Kampftag” ein sehr akademischer Begriff sei, der Verständis-Hürden bringe, und vom Patriarchat betroffenen Menschen, die keinen Zugang zu akademischen Diskursen haben, nicht eingänglich wäre. Aber fühlen sich diese Menschen dann etwa von “Frauen*” mehr angesprochen? Die Debatte um Zugänglichkeit und Akademie-Kritik sollte unserer Meinung nach umfassender geführt werden und nicht nur im Bezug auf den Titel des Tages. Sonst hat es ebenfalls wie der Verweis darauf, dass ein Sternchen Gender als konstruiert darstellt, den bitteren Beigeschmack, eine Sache mit guten Intentionen zu beginnen, aber es nur halbgar – und somit für die Betroffenen völlig unzureichend – zu machen.
Wir, als Betroffene des cis-hetero-Patriarchats haben die Nase voll davon, die ganze Recherche-, Aufklärungs- und Reflektionsarbeit selbst leisten zu müssen.
Dass vor allem cis-Männer und -Frauen sich nicht selbst die Mühe machen, zu recherchieren, sondern einfach ein Sternchen/* hinter “Frau” setzen, führt leider nur wieder dazu, dass INTA*-Personen Personen zusätzliche unbezahlte Arbeit machen. Das ist nicht nur schade, sondern zeigt umso mehr, dass es am 8. März nicht um einen Kampf von Frauen gegen Männer geht, sondern um einen feministischen Kampf gegen das Patriarchat, der inklusiver gedacht werden muss.
INTA*-Personen haben alles Recht, am 8. März zusammen mit cis Frauen einen Tag zu bekommen, an dem wir dem Patriarchat Feuer unter dem Arsch machen!!
Wir haben es so satt, immer nur mitgemeint zu werden, weil es gerade als “en vogue” gilt, eine (im Fall “Frauen*“ nur vermeintlich) inklusivere Sprache zu benutzen, für die WIR schon so lange kämpfen!
Deshalb sprechen wir uns für die Bezeichnung “Feministischer Kampftag” aus. Wir wollen zusammenstehen und gemeinsam kämpfen gegen diese Unterdrückung, gegen das Patriarchat und für die Selbstbestimmung!
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FUßNOTEN:
FUßNOTE 1:
Anmerkung: Warum wird an die Abkürzung “FLINTA*” nun doch ein Sternchen gehangen? Das liegt am aktuellen Diskurs zu den einzelnen Begriffen, für die die Abkürzung steht. Ausgeschrieben heißt es: Frauen, Lesben, inter*, nicht-binär, trans*, agender. Das Sternchen an trans* kommt daher, dass es viel Diskussion darum gab, wer sich alles als trans* bezeichnen darf. Es steht sinnbildlich dafür, dass alle Menschen, die sich als trans* sehen, sich auch so nennen dürfen. Zudem weißt es auf die Vielfältigkeit von trans* Identitäten hin. Beim Sternchen an inter* ist es ähnlich; die Community nutzt verschiedene Begriffe für sich, wobei die gemeinsame erste Silbe “inter-” ist. Das * steht für die Vielzahl der (Selbst-)Bezeichnungen und für die Verschiedenheit der inter*-Personen. In beiden Fällen kommt das Sternchen von einer Selbtsbezeichnung, wohingegen das * bei “Frauen*” eine Fremdbezeichung ist.
QUELLEN:
“Das Problem mit dem Sternchen” von Felicia Ewert (trans.frau.sein)