Unsolidarisches Verhalten auf gay Dating-Apps
von Max (Queering Defaults)
Liebe alle,
auch ich freue mich heute hier mit euch kraftvoll und bunt unsere Forderungen auf die Straße zu tragen. Dass wir uns als queere community den öffentlichen Raum nehmen, nicht in unseren Schränken versteckt bleiben.
Und da war sie wieder, diese queere community, von der nicht nur heute viel gesprochen wird und bei der ich mir gar nicht so sicher bin, was das eigentlich heißt. Ich denke bei einer community an eine Gruppe von Menschen, die mindestens alle ein Merkmal teilen. In unserem Fall das Queer-Sein, unsere nicht-heterosexuelle und/oder nicht-cisgeschlechtliche Identität, unser nicht-normatives Begehren oder auch Nicht-Begehren, unsere gesellschaftlich tabuisierten und verpönten Sexualpraktiken und kinks und anderes, was uns nicht so recht ins cis-heteronormative Patriarchat passen lässt. Eine community bedeutet für mich aber auch sich aufgrund der ähnlichen Erfahrungen des Nicht-Dazugehörens zur Mehrheitsgesellschaft mit Solidarität zu begegnen, sich zu empowern, gemeinsam safe spaces zu schaffen.
Doch wenn ich dann über Dating-Apps wie Romeo und Grindr, dem Cruisen der Gegenwart, Personen aus der sog. community, in erster Linie schwule und bisexuelle Männer, kennenlernen möchte, um mit ihnen eine schöne Zeit zu haben, Anschluss zu finden oder einfach zu vögeln, dann verliere ich häufig den Glauben an eine solidarische queere community. Dann denke ich mir, dass wir, als queere, in diesem Fall vor allem schwule community, unbedingt reden müssen. Wir müssen darüber reden, welche gewaltvollen, toxischen Orte wir auf diesen Apps schaffen, die doch eigentlich für Freundschaften, Austausch, Dates und Sex – also schöne Dinge, programmiert wurden. Ich kann es nicht mehr lesen. Die rassistischen Ausschlüsse oder Exotisierungen, die Transfeindlichkeit, die Beleidigungen gegen ältere Nutzer, das Body- und Fatshaming, die Feminitätsfeindlichkeit und Hypermaskulinität. Eure Ausschlüsse, die ihr als persönliche Geschmacksfragen entpolitisiert, sind Gewalt! Sie triggern, verletzen und vergiften die community.
Habt ihr eigentlich schon mal für einen Moment versucht Empathie für diejenigen zu empfinden, die ihr durch eure Profiltexte oder Chatnachrichten als nicht dazugehörig und nicht begehrenswert markiert? Auch dabei überschneiden sich häufig zugeschriebene oder tatsächliche Zugehörigkeiten von App-Nutzenden, für die sie ausgegrenzt, geshamed und beleidigt werden. Diese schillerende, schrille und fabelhafte community ist halt doch häufiger sehr viel weniger bunt, als es den Anschein macht.
Und bleibt mir ja fern mit eurem heterolike! Ihr reproduziert genau das, was so viele von uns jahrelang in Ketten gelegt hat, Tränen, Scham, Mobbing und Schläge bedeutete. Womit wir heute noch kämpfen, woran so viele von uns zerbrechen. Diese Homonormativität, die auf Dating-Apps konstruiert wird, macht krank. Sie führt dazu, dass wir uns schlecht fühlen, unsere Körper hassen oder versuchen uns aufzupumpen, oft nicht für uns selbst, für unsere Gesundheit oder aus eigenem Antrieb, sondern um mitzuhalten, um Schönheitsidealen hinterherzurennen, um auch ein Spiegelbild von unserem Sixpack auf unsere Profile stellen zu können. Damit muss Schluss sein!
Wir müssen ein Klima der Akzeptanz, des Respekts und des Zusammenhalts schaffen. Wie wollen wir die cis-heteronormative Gesamtscheiße ins Wanken bringen, wenn wir uns gegenseitig fertig machen? Zur queeren community gehören auch weiße, schwule Cis-Männer mit Sixpack. Aber genauso ist die bunte queere community Black und POC, hat Kurven und ist geschminkt, trägt bunte Haare und Dreads, zu ihr gehören Männer mit Vulven, Frauen mit Penissen und Non-Binaries, Menschen, die viel Bock auf Sex haben und Personen, die wenig oder gar kein sexuelles Verlangen verspüren, sie spricht alle Sprachen dieser Welt, steht auf Blümchensex oder Lack und Leder, sie crossdressed, draged, vogued und spielt mit Geschlechtsstereotypen.
Lasst uns solidarisch sein! Auf der Straße, auf Partys, beim Dating, beim Ficken! Und wenn du an einer Person kein körperliches oder Interesse am Kennenlernen zeigst, ist das voll okay. Aber auch das lässt sich respektvoll und empathisch formulieren.
Denkt mal drüber nach. Danke.